Wenn Lokführer oder Piloten streiken, sind die Auswirkungen enorm. Das gilt natürlich auch für die Gäste, denen die Nutzung eines Verkehrsmittels kurzfristig genommen wird. Es gilt aber auch für die bestreikten Unternehmen, die empfindliche Umsatzeinbußen hinnehmen müssen.
Doch nicht nur bei Streiks, sondern auch in zahlreichen anderen Konfliktsituationen liegt der Kern des Problems in der Kommunikation. Für Führungskräfte eine echte Herausforderung.
Führungskräfte: Wer streitet, arbeitet nicht
Wenn sich in Unternehmen gestritten wird, sinkt die Produktivität. Doch nicht nur sie. Auch die Atmosphäre am Arbeitsplatz leidet, was sich indirekt ebenfalls auf die Arbeitsleistung und die Motivation auswirkt.
Je nach Unternehmensgröße können sich Konflikte spürbar und ausrechenbar auf die Umsätze auswirken. Bei Streiks in großen Unternehmen kann das Minus schon mal im Millionen- oder gar Milliardenbereich liegen, doch auch mittelständische und kleine Firmen machen immer wieder die Erfahrung, dass Streit und Zank die Arbeit ins Stocken bringen.
Kommunikation als Streik- und Streitbrecher
Tatsächlich liegt es häufig an fehlender oder falscher Kommunikation, wenn Konflikte eskalieren. Doch was kann eine Führungskraft tun, um eine solche Eskalation zu vermeiden?
Wenn man bedenkt, dass etwa Global-Player wie die Lufthansa hochkarätig besetzte Experten vorweisen können, die sich nur um Konfliktmanagement kümmern und versuchen, Eskalationen zu vermeiden, reibt man sich verwundert die Augen.
Denn gestreikt wird trotzdem, immer wieder, und irgendwann muss ein Schlichter ran, um das Schlimmste zu vermeiden. Wäre es da nicht zielführender, man hätte schon vorher zu kommunikativen Mitteln gegriffen?
Manchmal ist die Kommunikation so festgefahren, dass ein Schlichter nötig ist.
Ist gewaltfreie Kommunikation der Weg zum Erfolg für Führungskräfte?
An dieser Stelle muss natürlich die Frage gestellt werden, wann Kommunikation überhaupt gewaltfrei ist. Ist es schon Gewalt, wenn ein Gespräch zu einem Konflikt und in der Folge auch lauter wird? Ist es Gewalt, wenn man seinen Gesprächspartner bewusst verbal verletzt?
Letzteres muss man bejahen. Denn wer die „wunden Punkte“ seines Gegenüber kennt und diese gezielt ansteuert, strebt eine Form von Gewalt an.
Ein lauter Streit dagegen kann sehr wohl gewaltfrei sein, wenn er auf Augenhöhe stattfindet. Doch was ist das schon, Augenhöhe? Wenn ein Vorgesetzter mit einem Untergebenen streitet, geschieht dies in aller Regel eben nicht auf Augenhöhe, sondern innerhalb einer Hierarchie.
Deshalb hat die Führungskraft mehr Möglichkeiten, auf den Streit Einfluss zu nehmen, etwa durch Sanktionen oder das berühmt-berüchtigte „letzte Wort“.
Die Grenze zwischen gewaltfreier und Kommunikation mit Gewalt ist oft fließend.
Mahatma Gandhi als Vorbild für Führungskräfte?
Mahatma Gandhi hat Großes geleistet, keine Frage. Aber lassen sich seine Methoden und sein Ansatz auf Führungsetagen übertragen? Der Amerikaner Marshall Rosenberg (2015 verstorben) war dieser Meinung, und er sollte zahlreiche Beispiele für seinen Ansatz liefern.
Schon in den 1960er Jahren entwickelte Rosenberg die „Gewaltfreie Kommunikation (GfK)“, die unter anderem in Krisengebieten wie Serbien oder Ruanda, aber auch mit Strafgefangenen zum Einsatz kam.
Aber lässt sich das vergleichen? Sind die Konflikte im Arbeitsleben nicht anders gelagert? Und bedeutet „gewaltfrei“ auch konfliktfrei? Nun, wir können Rosenberg nicht mehr danach fragen, sondern nur interpretieren. Festhalten lässt sich jedoch, dass es immer erst einmal ratsam ist, zu deeskalieren, statt zu eskalieren.
Das allerdings ist nicht immer möglich, was zum einen an Konflikten liegen kann, die sich nicht einfach (und ohne einen gewissen Druck) aus dem Weg räumen lassen. Zum anderen aber auch an Missverständnissen in der Kommunikation. Schauen wir einmal etwas näher hin.
Nicht alles, was Gandhi vertreten hat, lässt sich heute 1:1 auf den Arbeitsalltag von Führungskräften übertragen.
Wunsch oder Bedürfnis? Ein wichtiger Unterschied.
Häufig – auch bei Streiks, um darauf kurz zurückzukommen – wird der Unterschied zwischen einem Wunsch und einem Bedürfnis nicht erkannt. Oder eben falsch eingeordnet. Doch ein Wunsch birgt weniger Konfliktpotenzial als ein Bedürfnis. Nehmen wir als Beispiel einen Lokführer, der streikt:
- Vordergründig verspürt der Lokführer offenbar den Wunsch nach mehr Geld.
- Doch der Hintergrund ist das Bedürfnis nach einem guten wirtschaftlichen Auskommen.
Der Wunsch bzw. das Bedürfnis nach mehr Geld eignet sich bestens, um die Problematik zwischen den beteiligten Personen auszumachen. Denn dem Wunsch nach mehr Geld auf der einen steht der Wunsch, nicht zu viel zahlen zu müssen, auf der anderen Seite gegenüber.
Letztlich haben beide Seiten das Bedürfnis nach sozialer und wirtschaftlicher Sicherheit. Bei Großkonzernen liegt die Sache meist etwas anders, denn Konzernchefs geht es in der Regel persönlich nicht schlechter, wenn die Angestellten mehr Geld bekommen.
Doch bei mittelständischen und kleinen Unternehmen liegt die Sache schon ganz anders. Der Druck ist dort größer, und selbst kleine Veränderungen auf der Ausgabenseite können Chefs in eine unangenehme Situation bringen.
Somit prallen in diesem Beispiel zwei grundlegend verschiedene Bedürfnisse aufeinander. Der Arbeitnehmer will Respekt und Sicherheit, der Unternehmer will wettbewerbsfähig bleiben und sich am Markt behaupten.
Das „Geheimnis“ ist nun die Unterscheidung von Wunsch und Bedürfnis. Häufig gelingt das nicht, die Kommunikation geht daher in einer konfrontative Richtung. Das ist psychologisch sogar nachvollziehbar, denn ein Wunsch folgt einem gewissen Komfortverhalten.
Wenn aber die eine Seite ihr Bedürfnis als maßgebend betrachtet, während sie davon ausgeht, dass es sich bei der anderen Seite lediglich um einen Wunsch handelt, fehlt von vornherein die gegenseitige Wertschätzung.
Und damit sind wir bei einem Grundproblem von Führungskräften angekommen. Sie müssen ständig kommunizieren, müssen Mitarbeitern zuhören, Anweisungen geben, Konfliktpotenzial entschärfen. Das kann aber nicht gelingen, wenn sie Wünsche und Bedürfnisse verwechseln.
Kommunikation muss also einem Muster folgen, das in erster Linie darauf beruht, den Gesprächspartner nicht zu bewerten. Doch das ist schwierig, weil wir alle von Urteilen und auch Vorurteilen geleitet sind. Zudem: Ist ein Bedürfnis erst einmal als Wunsch eingeordnet worden, fällt es schwer, sich aus dieser Sichtweise wieder zu lösen.
Um die Kommunikation zu erleichtern, ist die Unterscheidung zwischen Wünschen und Bedürfnissen ungeheuer wichtig.
Aus der anderen Perspektive
Marshall Rosenberg hat wahrlich nicht nur Anhänger, sondern auch Kritiker. Diese werfen seiner Methodik vor, dass sie von unrealistischen Annahmen ausgehe. Denn niemand kann, so die Kritiker, kommunizieren, ohne eine gewisse Bewertung vorzunehmen.
Im Laufe seines Lebens lernt jeder Mensch, Dinge, Situationen und andere Menschen einzuordnen, zu bewerten.
Dabei muss eine solche Bewertung nicht einmal negativ ausfallen, wenn wir jemanden mögen, verehren oder lieben, ist das schließlich auch eine Form der Bewertung.
Kritiker merken zudem an, dass Rosenbergs Methode zu formelhaft sei und wenig individuellen Spielraum zuließe. Als Führungskraft aus der Praxis können Sie sicherlich bestätigen, dass die Arbeit ohne jede Bewertung nicht möglich und oft auch nicht zielführend ist.
Marshall Rosenberg und seine Methodik sollte man kritisch und doch offen betrachten.
Rosenberg bietet trotzdem eine Chance
Man muss die Ansätze Rosenbergs weder in den Himmel loben noch als gänzlich schlechte Lösung sehen. Vielmehr macht es Sinn, zumindest hinsichtlich der Unterscheidung von Wünschen und Bedürfnissen das eine oder andere anzunehmen.
Denn in der Kommunikation geht es nun mal immer darum, sich auf den Gesprächspartner einzulassen und den Versuch zu unternehmen, die Botschaft hinter der Botschaft zu erkennen und zu verstehen.
Es ist unrealistisch, dem Glauben zu verfallen, es ginge in der Arbeitswelt ohne Konflikte. Es wäre auch ziemlich naiv zu glauben, dass sich jeder Streit durch die richtige Methode in Luft auflösen ließe.
Doch dem positiven Ansatz, das Gegenüber wirklich verstehen zu wollen, steht nichts im Wege. Wenn alles versucht wurde und trotzdem nicht hilft, kann man immer noch zu anderen Methoden greifen.
Selbst, wenn die Differenzierung von Wünschen und Bedürfnissen gelingt, bleibt in manchen Situationen trotzdem nur das „letzte Wort“ der Führungskraft.
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Lesen Sie hier:
Kommunizieren Sie gewaltfrei?
Davon gehen wir aus, aber im Zuge des Artikels haben wir ja auch herausgearbeitet, dass die Trennung von Gewalt und Nicht-Gewalt zuweilen schwierig ist.
Daher die Frage an Sie: Unterscheiden Sie zwischen Wünschen und Bedürfnissen Ihrer Mitarbeiter? Wann sprechen Sie ein Machtwort, um überflüssige Diskussionen zu beenden? Und wie führen Sie Debatten, die kontrovers verlaufen?
Ich freue mich auf Ihre Kommentare, Mails oder die Vereinbarung eines persönlichen Gesprächs, um das Thema ein wenig zu vertiefen.
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