Work Life Balance ist nichts Neues. Bereits 1972 stellte der Soziologe Helmut Schelsky fest: „Unser Berufssystem ist nicht familienkonform und umgekehrt unsere Familien- und Haushaltsstruktur ist nicht berufskonform; die an der Wurzel der industriellen Gesellschaft liegende Trennung von Dienst- und Privatleben wird hier zum strukturellen Widerspruch“ (ebd., S. 34).
Früher sprach man von Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, heute spricht man ‚neudeutsch‘ von „Work-Life-Balance“.
Man könnte diese Bezeichnung als etwas unglücklich gewählt bezeichnen, da sie einen Gegensatz zwischen Arbeit (Work) und Leben (Life) suggeriert.
Beiden Aussagen gemeinsam ist jedoch, dass sie ein Spannungsfeld bzw. einen Balance-Bedarf zwischen Berufsleben einerseits und Privatleben andererseits bezeichnen, den es zu decken gilt, wobei zum Privatleben auch häusliche, familiäre und soziale Arbeit gehören kann.
Verschärfend wirkt sich aus, das Unternehmen und andere Organisationen heute vor der Herausforderung stehen, die Innovationsfähigkeit und die Produktivität ihrer Mitarbeiter ständig zu steigern. Heute sind die Kreativität, lebenslange Lernbereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und außergewöhnliche Einsatzbereitschaft entscheidende Wettbewerbsfaktoren. Dies führt zu hohen Anforderungen an die Beschäftigten.
Gestörte Work Life Balance: Immer höhere Krankheitsausfälle
Auch die Fachleute thematisieren den Konflikt: Titel wie „Stress ohne Ende – Die neue Krankheit der modernen Welt“ (Mai/Ruess 2007), „Müde Manager handeln wie Betrunkene“ (Fryer2006) oder „Ausweitung der Arbeitszone“ (Werle 2007) spiegeln die Erkenntnis über das Problem, um nur einige zu nennen. Untersuchungen und Berechnungen zeigen, dass heute bereits jeder zehnte Fehltag auf das Konto von Stress geht.
„Stress ist die Hauptursache (auch) arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen – und deren Zahl steigt stetig: Zwischen 1997 und 2004 haben sie um 70% zugenommen“ (Statistisches Bundesamt 2004, zit.n. Mai/Ruess 2007).
Das Institut für Demoskopie Allensbach führte bereits 2005 eine Befragung durch, bei der 69% der befragten Männer angaben, dass man sich als Vater genauso intensiv um die Kinderbetreuung kümmern sollte, wie die Mutter. Aber: Die gleichen Männer gaben ebenfalls an, aus finanziellen Gründen, und aus Angst um Benachteiligungen im Beruf, dies nicht immer realisieren zu können. Bis zum heutigen Tag lässt sich beobachten, dass diese Entwicklung immer weiter fortschreiten wird.
Ein Teil des Problems sind die Unternehmen, die vor der Aufgabe stehen, Wege zu finden, welche diese Disbalance aufnehmen und berücksichtigen. Wir haben in früheren Artikeln bereits feststellen können, das Unternehmen sehr wohl die Zeichen der Zeit erkannt haben und entsprechende Modelle entwickelt haben, die dazu beitragen, die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter zu erhalten und die Work-Life Balance zu unterstützen.
Auf der anderen Seite ist aber auch der Mitarbeiter selbst, in unserem Fall die Führungskraft, gefragt, sich dem Problem zu stellen und nach Lösungen zu suchen. Internationale und transkulturelle Studien haben vier Bedürfnis-Bereiche feststellen können, die in ein Gleichgewicht zu bringen sind, um eben physische und seelische Erkrankungen zu vermeiden. (vgl. zusammenfassend: Seiwert/Tracy 2002, S. 29ff).
1. Leistung In unserer hoch entwickelten Gesellschaft steht das Leistungsprinzip an erster Stelle. Schätzungsweise 50-70% unserer wachen Zeit verbringen wir damit, berufliche Leistungsziele zu erreichen.
2. Gesundheit: Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Work-Life Balance. Leider wird dieser Bereich aber erst dann als Faktor erkannt, wenn die Gesundheit bereits beeinträchtigt ist.
3. Soziale Kontakte und Beziehungen: Um sich wohlzufühlen, braucht jeder Mensch mehr oder weniger viele soziale Kontakte, sei es die eigene Familie oder auch der Freundeskreis. Diesem Thema wollen wir uns in diesem und in den folgenden Artikeln intensiver widmen.
4. Sinngebung in unserem Leben: Die Frage nach dem Sinn des Lebens und unserer Arbeit, nach der Zukunft der Menschheit oder auch Fragen des Glaubens gehören zu diesem vierten Einflussbereich.
Wir dürfen jedoch nicht davon ausgehen, dass ein Mangel an z.B. sozialen Kontakten durch eine „Übererfüllung“ in einem anderen Bereich kompensiert werden kann. Balance bedeutet nicht, dass wir unsere Aktivitäten möglichst gleichmäßig auf alle vier genannten Bereiche verteilen müssen. Die Grenzen sind fließend und individuell, eine Bankmanagerin mit einer 60 Stunden Woche kann durchaus in Balance leben, wenn Ihr Beruf sie ausfüllt, Sinn macht und eine Vielzahl von sozialen Kontakten ermöglicht. Es gibt als kein Standardrezept.
Jeder sollte für sich seine individuelle Balance suchen und finden!
Hier treffen sich die Themenbereiche Work-Life-Balance und Zeitmanagement. Aus dem individuellen Ansatz heraus sind bereits eine ganze Reihe von Selbstmanagementtechniken und Zeitmanagementtechniken entwickelt worden, die ich Ihnen auch schon in früheren Artikeln vorgestellt habe. Dazu gehören u.a. die Formulierung von persönlichen Zielen und eine systematische Arbeits- und Zeitplanung.
Im Bereich Work-Life-Balance haben wir (Heike M. Cobaugh und Susanne Schwerdtfeger) mit dem Rad der Work-Life-Balance ein Modell mit sechs Lebensbereichen entwickelt, dass seit über zehn Jahren von vielen Führungskräften als wichtige Grundlage für ihr erfolgreiches Selbstmanagement angewendet wird.
Lesen Sie hier mehr zur Work Life Balance:
Work-Life-Balance: Eine Einführung
Work Life Balance, Familie und Führungsaufgaben – wie passt das zusammen?
Wie sieht’s denn mit Ihrer Work-Life-Balance aus?
Ich freue mich auf Sie!
Lesen Sie hier auch: >> Work Life Balance Maßnahmen & Tipps
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