Ohne Werte geht es nicht, so viel ist sicher. Aber welche Werte sind für Führungskräfte im Alltag bedeutsam, und muss man unterscheiden zwischen persönlichen und beruflichen Werten? In jedem Fall kam es im Laufe der Zeit zu einer Verschiebung, oder besser: neuen Priorisierung der Werte bei Führungskräften.
Die Wertekommission
Die Wertekommission Deutschland ist ein Zusammenschluss aus Führungskräften, die es sich zum Ziel gemacht hat, Werte bewusst zu machen und gewissermaßen den Wert der Werte zu verdeutlichen. Die Wertekommission führt eine eigene Liste der Werte, die ihr am wichtigsten sind. Diese Werte lauten:
- Vertrauen
- Verantwortung
- Integrität
- Respekt
- Mut und
- Nachhaltigkeit.
Das klingt natürlich erst einmal sehr schön, niemand wird ernsthaft den hier formulierten Werten widersprechen oder sie anzweifeln können. Doch was steckt eigentlich dahinter? Vertrauen, schön und gut, ist immer eine gute Sache. Bei Integrität oder Nachhaltigkeit wird es schon schwieriger. Schauen wir einmal ein bisschen genauer hin.
Vertrauen und mehr
Die Wertekommission definiert Vertrauen als Verhalten, das dem Gegenüber Sicherheit vermittelt. Dieser Punkt wird im Laufe dieses Artikels noch sehr wichtig werden, wir behalten ihn also im Hinterkopf. Sie schreibt aber auch, dass Vertrauen ein subjektives Gefühl ist, von einem objektiven Wert kann also keine Rede sein. Das ist schlüssig, denn was Vertrauen ist und wem wir es entgegenbringen, entscheiden wir individuell und nicht etwa nach politischen oder gesellschaftlichen Vorgaben. Gleichzeitig kann Vertrauen in Unternehmen zu einer Art Grundsatz bzw. Grundwert werden, das intern schon recht genau definiert wird.
Unter Verantwortung wird die Bereitschaft verstanden, sich für etwas einzusetzen und dann auch mit „Haut und Haar“ die Folgen zu akzeptieren. Eigennutz spielt hier eine – wenn überhaupt – nur untergeordnete Rolle, vielmehr geht es um Selbstlosigkeit und das Aufgehen in und für die Sache.
Mit Integrität ist die Aufrichtigkeit gegenüber anderen gemeint, und die Orientierung an Regeln, Gesetzen und Normen.
Respekt meint die Wertschätzung anderer, die Achtung von Leistungen und Verhaltensweise von Kollegen und Vorgesetzten und der Verzicht auf Dominanz. Insbesondere der zuletzt genannte Punkt stellt Führungskräfte immer wieder vor Herausforderungen.
Mit Mut ist die Bereitschaft gemeint, auch Neues zu denken und zu tun, die ausgetreten Pfade zu verlassen und sich auf Experimente einzulassen („Trial and Error“). Gerade das Anerkennen darüber, dass nur Fehler zu neuen Entwicklungen führen, ist nicht immer leicht einzusehen, weil wir in einer Gesellschaft leben, die Fehler als Mangel und Schwäche empfindet.
Bei der Nachhaltigkeit geht es um das Zusammenbringen von ökonomischen und ökologischen Interessen, es geht Entwicklungschancen neuer Ideen und der Blick aufs große Ganze. Statt auf kurzfristige Gewinnmaximierung zu setzen, wendet sich der Menschen, der nachhaltig denkt, lieber längeren Zeiträumen zu. Auch das ist leichter gesagt als getan, denn im Allgemeinen werden in erster Linie die kurzfristigen Erfolge gesehen und bewertet. Denken, dass darüber hinausgeht, wird schnell als „Spinnerei“ oder „Träumerei“ abgetan.
Vertrauen versus Verantwortung
Es war die Wirtschaftskrise 2008/2009, die bei vielen Führungskräften die Werte in eine neue Richtung verschoben haben. Bis zur Krise war der wichtigste Wert die Verantwortung, Vertrauen rangierte eigentlich immer hinter diesem Wert. Doch dann war die Krise da, und viele Führungskräfte wurden sich der Tatsache bewusst, dass Verantwortung an Grenzen stößt, wenn die Rahmenbedingungen sich ändern. Anders ausgedrückt: Selbst der verantwortungsbewusste Mensch ist bestimmten Entwicklungen machtlos ausgeliefert.
Mit der Krise einher ging offenbar auch ein gewisses Maß an Misstrauen. Kein Wunder, denn was nützt es, wenn man alles gibt, seinen „Laden zusammenhält“, auf Respekt, Achtung und Wertschätzung achtet, und dann fällt einem plötzlich doch alles auf die Füße, weil irgendwelche Global Player den Hals nicht voll genug kriegen konnten. Im Zuge dieser Bewusstseinsveränderung gewann der Wert Vertrauen nach der Wirtschaftskrise eine völlig neue Bedeutung. Es schien fast, als wollten sich die Menschen lieber im kleinen Kreis absichern und auf die Verlässlichkeit und Loyalität ihrer Kollegen und Mitarbeitern setzen, als sich einer Macht auszusetzen, der sie …, ja, der sie eben nicht vertrauen.
Mitarbeiterbindung als Wert wird immer wichtiger
Vorbei sind die Zeiten, als Mitarbeiter als „Kanonenfutter“ betrachtet wurden. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei. Doch so lange ist es noch gar nicht her, da war der Mitarbeiter lediglich ein Mittel zum Zweck, das gefälligst zu funktionieren hat. Das lag nicht nur an damals noch anderen Arbeitsmärkten, es lag einfach an einer Grundhaltung, die sich über Jahrzehnte, sogar Jahrhunderte aufgebaut hatte.
Doch heute ist das anders, zumindest in vielen Unternehmen. Mit Entwicklungen aus Japan (etwa Change Management oder Kaizen) entstand ein neues Menschenbild. Die Mitarbeiter erfuhren plötzlich Wertschätzung (als eigener Wert, sozusagen), ihre Arbeit wurde nicht nur honoriert, sie sollten auch aktiv in Prozesse eingreifen können. So war es plötzlich denkbar, dass ein einfacher Arbeiter die komplette Produktion um Beispiel eines Automobilbetriebes stilllegen konnte, wenn er einen Fehler entdeckte. Die Führungskräfte waren darüber nicht wütend, sondern höchst erfreut, denn der kurze Stopp der Produktion führte letztlich zu mehr Effizienz.
Man kann daran ablesen, dass die Mitarbeiterbindung im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder verändert wurde. Die Wertekommission bestätigt dies auch.
Vertrauen steht über allem
Neue Führungstechniken (nicht nur die aus Japan kommenden) setzen auf Kooperation und Vertrauen. Gerade „alte Hasen“ trauen dem „Braten“ häufig nicht so ganz, aber die Tendenz ist nicht aufzuhalten und setzt bei der Führungskraft eine Menge Bereitschaft zur Veränderung voraus.
Wir müssen nur an Stichworte wie Mut, Offenheit oder Interesse denken, dann wird schnell klar, dass diese Attribute ohne Vertrauen schlicht nicht funktionieren. Denn die Führungskraft, die mutig genug ist, Dinge zuzulassen, muss ihrem Team vertrauen. Die Führungskraft, die Offenheit mit einbringt, muss ebenfalls vertrauen, und zwar darauf, dass die Mitarbeiter wirklich gute Ideen haben. Gleiches gilt für Interesse. Wer Interesse nicht nur heuchelt, sondern lebt, der muss vertrauen. Damit einher geht die Bereitschaft, selbst Fehler zu machen und diese bei Mitarbeitern zuzulassen. Alleine darin wird deutlich, dass Vertrauen nicht auf einer Ebene, sondern auf der breiten Basis vorhanden sein muss, damit es funktioniert.
Wie stark kann ein Wert sein?
Also, Butter bei die Fische: Vertrauen mag ja schön und gut und richtig und sozusagen „politisch korrekt“ sein. Aber was, wenn es erschüttert wird? Denn das passiert, und zwar jeden Tag und überall. Bei aller Wertschätzung, bei allem Vertrauen gibt es immer wieder Mitarbeiter, die das ausnutzen und für sich und ihre ganz persönlichen Interessen missbrauchen. Ist damit das Prinzip des Wertes Vertrauen gescheitert?
Das ist es natürlich nicht, aber es ist angekratzt, und die eigentliche Aufgabe für die Führungskraft besteht nun darin, diese Erfahrung nicht zu generalisieren. Das ist nicht leicht, denn wenn Vertrauen missbraucht wird, hat das Folgen, emotionale und oft auch berufliche bzw. geschäftliche. Ein paar geklaute Kugelschreiben haben kaum Folgen, aber wenn es zu größeren Vergehen kommt, kann das – im wahrsten Sinne des Wortes – teuer werden. Hier gilt es, von Einzelfällen nicht auf das gesamte eigene Wertesystem zu schließen, sondern weiterhin das hochzuhalten, was die Arbeit bisher so erfolgreich gemacht hat.
Man kann es auch von einer anderen Seite betrachten und resümieren, dass zu einer offenen Kultur und dem Zulassen von Experimenten und Fehler auch die Tatsache gehört, dass man sich in Mitarbeitern täuschen kann. Am grundlegenden Vertrauen, das eine Führungskraft hat, sollte das nichts ändern.
Lesen hier auch:
>>Der Sinn des Lebens der Führungskraft<<
Simon Sinek: „Frag immer erst: warum- Wie Führungskräfte zum Erfolg inspirieren“ (Redline Verlag 2014)
Kommen Sie mit Ihren Werten zurecht?
Grau ist alle Theorie, oder? Einerseits beanspruchen die meisten Menschen für sich, nach bestimmten Werten zu leben. Und ganz sicher sind Ihnen die genannten bekannt, womöglich leben Sie danach.
Aber funktioniert das auch wirklich? Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern? Wurde Ihr Vertrauen schon einmal missbraucht? Und haben Sie Fehler „teuer“ bezahlen müssen (im übertragenen oder wahrsten Sinne)? Wie gehen Sie damit um, wenn einer Ihrer Werte „mit Füßen getreten“ wird? Schreckt es Sie ab oder motiviert es Sie eher, auf Ihrem bisherigen Weg weiterzugehen?
Ich interessiere mich für Ihre Einschätzungen, Ihre Erfahrungen und Ihre ganz persönlichen Werte. Schreiben Sie mir Ihre Antwort gerne als Kommentar unter den Artikel oder kontaktieren Sie mich persönlich via Mail oder Telefon.
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