Die neue Innendienstmitarbeiterin soll ihre Telefonkompetenz verbessern. Ihre Vorgesetzte setzt sich neben sie und sagt: „Na, dann legen Sie mal los. Schauen wir mal, was Sie besser machen müssen.“ Die Führungskraft versucht sich in ihrer Rolle als Coach.
Die neue Mitarbeiterin ruft die ersten fünf Kunden an, und von Anruf zu Anruf steigt ihre Unsicherheit. Die Gespräche werden immer schlechter, sie verspricht sich, verliert den Faden, lässt sich abwimmeln und erreicht nichts. Der letzte Kunde reagiert ungehalten auf ihren Anruf und sie bricht in Tränen aus.
Es dürfte jedem klar sein, dass man so genau das Gegenteil dessen erreicht, was man sich versprochen hat. Wichtiger noch: Die Lern- und Entwicklungsbereitschaft dieser Mitarbeiterin ist zerstört, von „Coaching“ hat sie erst mal die Nase voll.
Sie schämt sich und fürchtet nicht nur Kritik, sondern auch den Verlust ihres Arbeitsplatzes. Was ist schiefgelaufen? Weder die Chefin noch die Mitarbeiterin hatten eine klare Vorstellung darüber, woran sie in diesem Coaching arbeiten wollten.
Wenn Sie als Führungskraft auch als Coach Ihre Mitarbeiter fördern wollen, dann müssen Sie unbedingt die Zustimmung Ihres Mitarbeiters haben. Es gilt die Regel: Kein Coaching ohne Zustimmung!
Coaching setzt die Erkenntnis voraus, dass etwas nicht in Ordnung ist, dass man sich oder etwas verändern möchte. Dieses Bewusstsein ist unabdingbar, und ohne dieses kann Coaching nicht funktionieren.
Natürlich bedarf es dann noch der Bereitschaft, Veränderungen zu erarbeiten und diese diszipliniert umzusetzen. Diese Veränderungsprozesse durchlaufen auch kritische Phasen, immerhin müssen alte Verhaltensmuster, an die man sich gewöhnt hat, oft abgelegt werden.
Dazu gehört Regelmäßigkeit und Durchhaltevermögen. Hier zeigt es sich auch, ob der Mitarbeiter wirklich freiwillig mitarbeitet und die Einsicht hat, dass ihn ein Coaching persönlich weiterbringt.
Gründe warum Coaching abgelehnt wird
Das ist leider nicht immer der Fall. Es kann mehrere Gründe geben, warum ein Mitarbeiter ein Coaching ablehnt.
- Angst davor, dass Fehler oder Inkompetenzen aufgedeckt werden und dass daraus negative Konsequenzen für sie entstehen, wie z.B. Degradierung oder Kündigung.
- Angst vor Indiskretion, davor, dass Inhalte oder Ergebnisse des Coachings nach außen getragen werden.
- Der Mitarbeiter sieht bei sich keine weitere Entwicklungsmöglichkeit. „Das lerne ich eh‘ nicht mehr…“
- Der Mitarbeiter sieht keine Entwicklungsnotwendigkeit. „Ich mach das jetzt schon 30 Jahre lang so, das war bisher immer gut so.“
Die ersten beiden Punkte können Sie ausräumen. Klären Sie gemeinsam und ruhig mit dem Mitarbeiter, was er braucht, um seine Ängste zu verlieren. Versichern Sie ihm, dass er keinerlei negative Konsequenzen zu befürchten hat.
Erklären Sie, dass Coaching kein Test ist, sondern seine Weiterentwicklung unterstützen soll. Machen Sie klar, dass Sie doch sicherlich nicht ihre Zeit mit ihm verschwenden würden, wenn Sie nicht an sein Potential glauben würden!
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Vertrauen und Diskretion sind oberste Regeln
Vereinbaren Sie strickte Vertraulichkeit mit dem Mitarbeiter, die selbstverständlich für beide gilt. Sprechen Sie das bei jeder Sitzung nochmals an. Wenn ein Mitarbeiter aus den Gründen 3 und/oder 4 ein Coaching ablehnt, so sollten Sie überlegen, ob dieser noch der Richtige ist auf der jetzigen Position.
In manchen Fällen lehnt ein Mitarbeiter nicht das Coaching als solches ab, sondern lediglich Sie als den Coach. Das kann daher rühren, dass das Vertrauensverhältnis in irgendeiner Weise gestört ist.
Drängen Sie sich nicht auf, lassen Sie es sein. Wenn das Vertrauen fehlt, macht der Mitarbeiter zu und Sie erreichen gar nichts. Sie vergeuden Ihre Zeit und schaden Ihrem Ruf als Führungskraft. In einem solchen Fall ist es angebracht, den Coaching Auftrag an einen externen Coach zu vergeben.
Ich spreche Führungskräften die Fähigkeit zum Coachen keineswegs ab, im Gegenteil: innerhalb eines gewissen Rahmens ist es eine Selbstverständlichkeit für fördernde Vorgesetzte. Dennoch geht ein professionelles Coaching über das „Coachingverhalten“ deutlich hinaus.
Coaching mit externen Coaches involviert meist alle Lebensbereiche. Der Grund, warum sich ein Mensch in einer bestimmten Art und Weise verhält, hat auch immer etwas mit seinen privaten Lebensumständen und seiner Lebenserfahrung außerhalb des Jobs zu tun.
Für Sie als Vorgesetzter kann und darf sich Coaching aber nur auf den beruflichen Kontext beziehen. Themen wie „Umgang mit Konflikten“, „Angst vor bestimmten Situationen oder Menschen“ sollten Sie tunlichst meiden.
Das gilt selbstverständlich auch dann, wenn Sie Probleme bei einem Mitarbeiter erkennen, die besser therapeutisch behandelt werden sollten, so z.B. Phobien, Zwangshandlungen oder gar Wahnvorstellungen.
Erkennen Sie, wann Ihre Grenzen erreicht sind und wann ein professioneller Coach herangezogen werden sollte.
Interner und externer Coach ergänzen sich prima
Vielleicht haben Sie bereits selbst Erfahrungen gesammelt und sind auch schon gecoacht worden? Dann wissen Sie es sicherlich zu schätzen und können ihre Mitarbeiter dazu ermuntern, mit der richtigen Einstellung mit Coaches zu arbeiten.
Aus diesem Grund sehe ich fördernde Führungskräfte nicht als Konkurrenz, sondern als Verbündete an. Kooperation statt Konkurrenz! Externe Coaches und coachende Führungskräfte ergänzen sich.
So kann die Führungskraft Prozesse initiieren, Denkanstöße geben und Wege aufzeigen, die dann von einem externen Coach weitergeführt werden.
Wie oft setzen Sie Coaching zur Mitarbeiterentwicklung ein? Fühlen Sie sich dabei sicher in Ihrer Rolle? Haben Sie selbst als Coachee schon mal Erfahrungen gemacht? Schreiben Sie mir gerne in die Kommentare oder senden Sie mir eine Mail. Ich freue mich über unseren Austausch.
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