Neue Methoden für Führungskräfte kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Viele davon entpuppen sich als ausgezeichnete Ideen. Andere dagegen sind zahnlose Tiger, die weder der Führungskraft noch den Mitarbeitern etwas bringen.
So kritisch beäugt, stellt sich spontanes Misstrauen ein, wenn ausgerechnet Menschlichkeit ein neues Prinzip auf den Führungsetagen sein soll. Insbesondere, weil die Frage erlaubt sein muss: Was ist das überhaupt genau, Menschlichkeit?
Was ist Menschlichkeit?
Diese Frage ist nur auf den ersten Blick leicht zu beantworten. Denn bei der Definition kommt es auf die Perspektive an. Im Duden lässt sich beispielsweise als erste Erklärung etwas finden, das als „menschliche Haltung und Gesinnung“ formuliert wird. Hilft eher nicht weiter.
Laut Duden versteht man selten unter Menschlichkeit auch eine menschliche Schwäche, eine Fehlhandlung. Das mag stimmen, hilft einer Führungskraft aber kaum weiter, geht es doch schließlich nicht darum, in sich Schwächen und Fehlhandlungen aufzubauen.
Etwas weiter kommt man bei Synonymen. Dort lassen sich Begriffe wie „Erbarmen“, „Humanität“, „Milde“ und „Toleranz“ finden. Immerhin … Nähern wir uns dem Thema Menschlichkeit einmal weniger akademisch, kommen wir der Sache deutlich näher. Menschlichkeit ist eine Eigenschaft, die Empathie beinhaltet, Wertschätzung, Verständnis und ein gewisses Maß an Selbstlosigkeit.
Selbstlosigkeit, weil wir zuweilen die eigenen Interessen vergessen und uns rein auf die Bedürfnisse unserer Mitmenschen konzentrieren sollten. Wer dazu in der Lage ist, trägt die Wertschätzung, das Verständnis und die Empathie gewissermaßen schon in sich. Doch was nützt all das einer Führungskraft?
Ist Kontrolle das Gegenteil von Menschlichkeit?
Eine schwierige Fragestellung. Denn wenn wir postulieren, dass zur Menschlichkeit auch Vertrauen gehört – und das liegt nahe -, muss Kontrolle das Gegenteil von Menschlichkeit sein. Andererseits ist das Arbeitsleben komplett ohne Kontrollmechanismen nicht möglich.
Es passieren Fehler, die kontrolliert werden müssen, Mitarbeiter missverstehen Aufträge und müssen somit kontrolliert werden, damit diese Missverständnisse keine gravierenden Auswirkungen haben. Und außerdem: Kontrolle ist nicht gleich Kontrolle. Warum? Weil wir auch im Privaten dazu neigen, uns zu kontrollieren.
Wer kennt nicht das Beispiel des Herdes oder der Kaffeemaschine, wenn man sich auf dem Weg in den Urlaub fragt, ob man auch wirklich alles ausgeschaltet hat? Man umgeht dieses Problem also am besten mit Kontrolle. Manche machen sich vor dem Wegfahren eine Liste, die abgearbeitet wird. Erst wenn alles kontrolliert wurde, was zu kontrollieren ist, kann die Urlaubsreise entspannt beginnen.
Und hier sind wir an einem wichtigen Punkt. Denn wenn wir uns das Beispiel mit der Urlaubsreise ansehen, stellen wir fest, dass es sich bei dieser Form der Kontrolle um eine wertfreie handelt. Es geht nicht darum, Schuldige zu finden („Wer hat die Kaffeemaschine nicht ausgeschaltet?“), sondern die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie sich als optimal darstellen.
Springen wir also jetzt in ein Unternehmen und schauen uns den vermeintlichen Konflikt zwischen Kontrolle auf der einen und Menschlichkeit auf der anderen Seite an.
Vertrauen ist gut …
… Kontrolle nicht schlechter. Beides muss sich nicht ausschließen. Trotzdem erscheint eine gewisse Reibung vorhanden zu sein, wenn man Kontrolle und Vertrauen gegenüberstellt.
Lösen lässt sich das auf unterschiedlichen Wegen. Zum einen verliert Kontrolle ihren Schrecken, wenn sie für die Mitarbeiter nachvollziehbar ist und sich auf das Sachliche reduziert.
Einem Mitarbeiter gegenüber fair und wertschätzend (also menschlich!) zu kommunizieren, warum es ohne Kontrolle nicht geht, wird die Bereitschaft erzeugen, sich mit diesem Werkzeug einverstanden zu erklären.
Zum anderen ist es ein sinnvoller und menschlicher Ansatz, den Mitarbeitern selbst die Möglichkeit der Kontrolle zu geben. Das setzt natürlich ein gewisses Maß an Vertrauen voraus, denn man unterstellt damit, dass der Mitarbeiter fachlich und menschlich in der Lage ist, sich bzw. Arbeitsabläufe zu kontrollieren. Greifen diese beiden Ansätze, ist Menschlichkeit auch mit dem Instrument der Kontrolle möglich.
Zwei Beispiele von vielen, über die nur selten geredet wird
Menschlichkeit in Unternehmen gibt es natürlich längst und lange schon. Zwei Beispiele sind der dm-Chef Götz Werner, der der Inhaber der allgemein bekannten Drogeriekette ist, und Klaus Kobjoll, Chef des Nürnberger Hotels „Schindlerhof“. Beide leben Menschlichkeit vor und zeigen, dass es funktionieren und erfolgreich sein kann. Die beiden Manager scheinen jedoch nur bei oberflächlicher Betrachtung aus dem Rahmen zu fallen. Andere sehen durchaus ebenfalls Bedarf, auch wenn sie sich mit der Umsetzung schwertun.
Eine Untersuchung des „Management Zentrum Sankt Gallen“ förderte zutage, dass 82 Prozent der im Zuge der Untersuchung befragten Manager der Meinung waren, dass in den Führungsetagen ein grundsätzliches Umdenken nötig sei. Skrupellos, raffgierig und mit einem gehörigen Maß an Selbstbedienungsmentalität – das seien Charakterzüge bei Managern, die längst aus der Zeit gefallen sind.
Zu diesem Schluss kamen wohlgemerkt Führungskräfte, nicht etwa Soziologen oder Unternehmensberater. Offenbar schlummert in vielen Köpfen von Führungskräften der Wunsch, menschlich zu agieren.
Gelebte Menschlichkeit
Klaus Kobjoll nennt seine Unternehmenskultur nicht so. Offenbar ist dieses Wort ihm zu abstrakt. Oder zu distanziert von seinen Mitarbeitern. Er spricht stattdessen von „Spielkultur“ und offenbart damit seine Grundhaltung. Kobjoll legt Wert auf Attribute, die sonst eher selten in Unternehmen im Vordergrund stehen: Wertschätzung, Vertrauen, Authentizität, Offenheit, Spaß und Humor.
Man mag sich verwundert die Augen reiben? Humor? Spaß? Wo bleibt denn da der Arbeitscharakter? Jedenfalls nicht auf der Strecke, der Schindlerhof ist höchst erfolgreich, und das auch noch ohne Finanzskandale und Massenentlassungen.
Ähnlich agiert auch Götz Werner von dm. Auch bei ihm hat der Wohlfühlfaktor seiner Mitarbeiter oberste Priorität. Ebenfalls mit Erfolg, und in seinem Fall gleich noch mit einer Auszeichnung. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) verlieh dem dm-Konzernchef einen begehrten Management Award – für „menschliche Führung“. Offenbar macht Menschlichkeit also nicht nur Spaß, sondern verspricht auch gute Zahlen in der Buchhaltung.
Wie menschlich führen Sie?
Es klingt paradiesisch. Mit Menschlichkeit führen, erfolgreich sein, eine Grundharmonie im Unternehmen erzeugen. Und dabei auch noch Spaß haben, Freude an der Arbeit entwickeln, sogar Kontrolle als vernünftig und wertschätzend wahrzunehmen. Doch wie sieht es mit der Umsetzung aus? Würden sie sich als Menschenfreund bezeichnen? Als jemand, für den die Menschlichkeit sehr weit oben auf der Liste der Führungseigenschaften rangiert?
Oder denken Sie gerade: Das klingt ja alles schön und gut, aber im brutalen Alltag ist das nicht so einfach? Sind Sie der Meinung, dass Menschlichkeit in einer Zeit der Globalisierung und des weltweiten Wettbewerbs eine naive Vorstellung ist? Ich freue mich auf Ihre Meinung und ganz besonders auf Ihre Erfahrung.
Denn Sie kommen aus der Praxis und wissen genau, was in Ihrem Umfeld möglich ist und was nicht. Lassen Sie mich gerne daran teilhaben, in Form von Kommentaren, Mails oder rufen Sie mich an. Ich freue mich auf Ihre Meinung!
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